Dehnen – lieber nicht vor dem Sport!
Stretching vor dem Training kann die Leistung mindern und sogar gefährlich sein. Experten empehlen fürs Warm-up einen lockeren Lauf oder sportspezifische Übungen.

Viele Sportler finden es selbstverständlich, sich vor dem eigentlichen Training erst einmal ausgiebig zu dehnen, um sich locker zu machen. Mittlerweile sind sich die meisten Experten einig, dass Stretching zum Aufwärmen vor dem Sport nicht nur kontraproduktiv ist, sondern sogar potenziell schädlich sein kann.

Höhere Verletzungsgefahr duch Dehnen
Sportwissenschaftler Kieran O´Sullivan von der irischen Universität Limerick verglich mehrere Stretching-Varianten mit ihren Effekten auf Athleten unterschiedlicher Disziplinen. Klassisches Dehnen, etwa das Vornüber-Beugen, um die Zehen mit den Fingern zu berühren oder auch das Ablegen des Beins auf einer Bank führt demnach eher zu einer Straffung der Muskulatur statt zur Entspannung oder Lockerung. Der Körper versucht, den Dehnreiz zu kompensieren und ein mögliches Überdehnen zu vermeiden. Er reagiert mit einem Zusammenziehen der gedehnten Muskeln, was die Grundspannung erhöht – statt sie wie eigentlich gewollt zu reduzieren.

Stretching nach dem Sport oder abends?
Schnelle, flexible Bewegungen beim nachfolgenden Sport werden dadurch nicht nur eingeschränkt, sondern erhöhen sogar die Verletzungsgefahr. O´Sullivan empfiehlt Dehn-Workouts lediglich für die Phase nach dem Sport oder den Abend. Auch US-Experten kommen nach der Auswertung von mehr als 100 Streching-Studien zu dem Ergebnis: Statisches Dehnen vor dem Sport macht Sie langsam und schwächer – und es kann Sportverletzungen wie etwa Muskelzerrungen nicht verhindern. Anstelle einer Stretching-Phase sollen Sportler sich lieber mit einem kurzen, lockeren Lauf aufwärmen – oder mit spezifischen Bewegungen, die sie in ihrer Disziplin ohnehin ausführen: Etwa das Einschießen beim Fußball oder lockere Aufschläge fürs Tennis.

Position beim Stretching
Beim Stretching sollte man alles ausprobieren und abhängig von Stimmung, Verfassung und Ziel einsetzen. „Bereite ich mich auf ein Tennismatch vor, dann dehne ich gezielt das Schultergelenk für die folgenden Ausholbewegungen, und das funktioniert am besten dynamisch. Nach dem Match sollte man erst dehnen, wenn sich die Muskeln wieder locker anfühlen. Dann kann man auch statisch stretchen, um besser in die Entspannung zu finden.“
Zwei Trainingseinheiten pro Woche sind schon nötig, damit das Gewebe reagiert und sich anpasst“, sagt Freiwald. Dabei ist es zumindest anfangs ziemlich egal, welche Methode zum Einsatz kommt, und später lässt sich dann das Angenehme (Stretching) mit dem Nützlichen (Kraft) verbinden. Neben den vertrauten Varianten des statischen Haltens und des dynamischen Federns (allerdings leicht, nicht im Hauruckverfahren) praktizieren die bekennenden Stretcher noch komplexere Methoden mit bewussten Muskelkontraktionen. Die hohen Künste des Dehnens tragen die englischen Kürzel CR und AC. CR heißt erst den Muskel anspannen (contract), dann entspannen (relax), anschließend stretchen. Bei der AC-Methode wird der Gegenspieler (Antagonist) des zu dehnenden Muskels angespannt (contract) und dann der Agonist gedehnt. Wer ein gutes Körpergefühl hat, kann die beiden Varianten kombinieren.

Benefits des Dehnens
Beim diesem „High-End-Stretching“ wird erst der zu dehnende Muskel angespannt; anschließend, in der eigentlichen Stretchingphase, kontrahiert zugleich der Gegenspieler. Für welche Variante Sie sich auch entscheiden: Sie muss Ihnen Spaß machen. Von den Benefits des Dehnens – größere Aktionsradien in den Gelenken, verbunden mit einer besseren Kontrolle der Muskeln in extremen Positionen und einem stabileren Bindegewebe – profitieren alle Sportler. Früher hieß das einfach Gymnastik und war selbstverständlicher Teil einer jeden Turnstunde. Heute muss erst wieder gelernt werden, dass nach acht Stunden monotonem Sitzen im Büro auch das Dehnen einen festen Platz im Fitness-Repertoire haben sollte – egal ob vor oder nach dem Sport. Oder sogar beides. Denn es macht mobil, bei Arbeit, Sport und Spiel. Und außerdem stärker.

Welche Methode wirkt besser: Halten (statisch) oder Wippen (dynamisch)?
Beide Methoden führen zum Ziel, doch wie bei jedem Training kommt es auf die richtigen Reize an. Wer beweglich bleiben will, dehnt bis an seine Grenzen, bis es leicht zieht. Wer mehr möchte, wippt vorsichtig in den Grenzbereich der Beweglichkeit und leichten Schmerz hinein.

Statisches und dynamisches Dehnen
Statisches Dehnen macht vor allem in jenen Sportarten Sinn, bei denen Beweglichkeit leistungsbestimmend ist, also z. B. Turnen oder Gymanstik.
Denn unmittelbar nach dem Dehnen steigt die "Gelenkreichweite", die Muskeln sind toleranter auf Dehnspannungen.
Bei Sportarten, die schnelle Bewegungen in großen Gelenkwinkelpositionen erfordern (z.B. Hürdenlauf), sollte dem Training und Wettkampf ein kurzes, dynamisches Dehnen vorgeschaltet werden.